Hitzewelle Teil 1 – Wenn einer eine Reise tut

Es ist Sommer. Das bedeutet im Rheinland zwar nicht zwangsläufig Sonne und warme Temperaturen, aber dieses Jahr scheint uns die Natur für die teilweise ziemlich miesen Sommer der letzten Jahre überentschädigen zu wollen. Momentan ächzt ganz Deutschland unter einer Hitzewelle, an die zumindest ich persönlich ich mich in einem solchen Ausmaß nicht erinnern kann.

Die Temperaturen der letzten Tage und Wochen lagen im Durchschnitt deutlich über 30° C. Bei so einem Wetter zieht es mich aus dem Rheinland weg, da hier eine ziemlich gute Chance auf totales Unwetterchaos besteht. Da ich ein sehr nettes Fleckchen am Meer bei meiner Freundin einem Wolkenbruch jederzeit vorziehen würde, packte ich so vergangenes Wochenende mal wieder meine Siebensachen zusammen, buchte schnell Online die Verbindung Richtung Norden per ICE ab Düsseldorf für Freitags und gleich den Rückweg am Montag Mittag, ebenfalls per ICE.

Da ich diese Strecke  nun schon einige Male gefahren bin, wußte ich daß mich am Freitag vermutlich ein voller Zug und eine Verspätung erwarten würden. Was mich an diesem Wochenende aber tatsächlich erwartete, davon hatte ich nicht einmal den leisesten Schimmer. Vorweg: Trotz allem war es das Wochenende wert und ich werde diese Reise auch weiterhin und im vollen Bewustsein des Risiko einer Wiederholung auf mich nehmen.

Voller Vorfreude beendete ich also am vergangenen Freitag um 13:30 Uhr meine Arbeit (tja, der öffentliche Dienst hat nicht nur Nachteile) und machte mich auf Richtung Hauptbahnhof Düsseldorf. Meine gepackte Tasche hatte ich bereits morgens in ein Schließfach verfrachtet, dort lag sie auch sicher und gut gekühlt als ich sie abholte. Also fix aufs Gleis und in den wartenden ICE eingestiegen. Soweit so gut. Der Zug setzte sich in Bewegung und meine laune stieg mit jedem Meter Strecke. Leider nur um ca. 6 % denn bereits in Dortmund erklang eine freundliche Stimme aus den Lautsprechern, die uns mitteilte daß wir aufgrund eines Elektrikausfalles und eines Triebfahrzeugschadens leider einen kurzen Aufenthalt in Dortmundhaben würden. Nun ja, kann ja mal passieren. Also lese ich entspannt mein Buch weiter und hoffe daß es nicht allzu lange dauert, immerhin habe ich ab Berlin nur 20 Minuten bis mein Anschluß fährt.

Naja, 20 Minuten waren schnell vorbei, ich verabschiedete mich also vom passenden Anschluß und schaute schnell schonmal auf deutsche-bahn.de vorbei um Alternativen zu finden. Nach 30 Minuten wurde es dann plötzlich sehr still im Zug. Nicht weil die Fahrgäste ihr Verhalten geändert hätten, nein die Klimaanlage war aus. Ich hoffte dies hätte mit den Bemühungen der ca. 15 Leute der DB am Ende des Zuges zu tun, wurde aber weitere 15 Minuten später eines besseren belehrt. Hier wurde uns dann einfach und schmerzlos mitgeteilt, daß unser Zug nun leider ausfallen wird. Keine Alternativen, einfach „Zug endet hier, bitte ALLE aussteigen“.

Nun ja, hier im Umfeld kenne ich mich ja recht gut aus und wußte, daß in Hamm der ICE in dem ich saß sich mit dem Kölner ICE traf und per Kopplung weiterfuhr. Da in diesem Moment ein RE in Richtung Hamm einfuhr, packte ich meine Tasche und stieg ein – mit mir ca. 250 Reisende des ICE. Dementsprechend war ich froh relativ gut temperierte 40 cm² Stehfläche ergattern zu können, aber was solls …

In Hamm angekommen war ich bereits gut durchgeschwitzt. Im Regionalexpress wurden aber bereits die Anschlüsse durchgegeben, so daß ich sofort zum vermeintlich richtigen Gleis ging um dort einen anderen ICE in Richtung Berlin zu erwischen, der knappe 15 Minuten später eintreffen sollte. Somit hatte ich bereits an dieser Stelle gute 60 Minuten Verspätung.

Am betreffenden Gleis angekommen begrüßte uns sofort eine freundlich blinkende Abfahrtsanzeige mit der Information „Zug fällt aus“. Nun denn, warum diese Information dem Zugchef des RE nicht bekannt war will ich hier nicht ansprechen, aber die Informationspolitik am Bahnhof war, um es freundlich auszudrücken, recht desolat. Es gab schlicht und einfach keine Informationen, der nette Choleriker im DB Häuschen auf dem Bahnsteig schrie uns an, wir sollten gefälligst auf den IC zwei Gleise später warten, er wisse schließlich auch nichts. „Okay“ dachte ich mir und schlenderte in Richtung des betreffenden Gleises, wo schon recht viel Betrieb herrschte.

Da ich nicht von Schüchternheit betroffen bin, fand ich recht schnell Gesprächspartner und durch diese heraus, daß neben den Fahrgästen meines ICE noch die Fahrgäste eines weiteren ICE hier auf die Weiterreise gen Berlin warteten, zusätzlich natürlich die planmäßigen Fahrgäste des IC. Dieser hatte zu diesem Zeitpunkt 25 Minuten Verspätung und traf dann auch nach Ablauf dieser und weiterer 15 Minuten ein – und war brechend voll.

Ich hatte das Glück am Einstig zur ersten Klasse zu stehen, was den überwiegenden Teil der Wartenden abschreckte und in Richtung der anderen Türen trieb. Da ichmir bereits denken konnte, daß die Zugbegleiter mich wohl kaum aus dem Gang der ersten Klasse vertreiben würden, stieg ich schnell ein und hatte meine gewohnten 40 cm² Raum zur freien Verfügung. Die Tatsache der Erfindung einer Klimanlage schien den Erbauern dieses Wagens noch nicht bekannt gewesen zu sein, immerhin gab es aber Fenster.

So stand ich also im Gang der ersten Klasse und wartete auf die Abfahrt des Zuges, zumindest hatte ich noch ein kleines Fünkchen Hoffnung, bis das altbekannte Knacken aus Richtung des Lautsprechers ertönte und eine ziemlich gestresste Männerstimme mitteilte, der Zug seie überlastet und mindestens 200 Fahrgäste sollten wieder aussteigen, „sonst geht hier gar nüscht“. Nein, eine Alternative könne er nicht nennen, man solle sich bitte an den Servicepoint wenden.

Ich blieb stehen. 30 Minuten und unzählige Diskussionen anderer Reisender später setzte sich der IC dann endlich in Bewegung. Bis Hannover verlief die Reise ohne weitere Vorkommnisse, von der Enge, der nicht vorhandenen Kühlung bei ca. 40° C Innentemperatur und unsichtbaren Zugbegleitern, die sich anscheinend in den Lautsprecher zurückgezogen hatten einmal abgesehen. In Hannover stieg dann ein guter Teil der Fahrgäste aus und ich nutzte die Chance, mich dekadent in einen bequemen 1. Klasse Sessel zurückzuziehen. Der Zug war immer noch rappelvoll, aber die Weiterreise verlief dann relativ entspannt. Ich hatte sogar die Gelegenheit, eine Zugbegleiterin nach Anschlüssen zu befragen, die sich freute die nagelneue Internettechnik für Zugbegleiter einmal probieren zu dürfen. Sie nannte mir auch prompt einen Anschluß, der genau so verspätet in Berlin ankommen sollte, daß ich ihn noch erreichen könne.

Ich kam gegen 20:00 Uhr in Berlin an und wanderte sogleich Richtung Abfahrtsmonitor. Was ich hier sah hob meine leicht angekratzte Laune nicht wirklich. Alle hier angezeigten Züge hatten zwischen 45 und 300 Minuten Verspätung. Ein kurzer Anruf bei meiner Freundin förderte dann eine neue Erkenntnis zu Tage: Im Umfeld vom Berliner HBF hatte es einen Oberleitungsabriß gegeben, ab HBF fuhren keinerlei Züge mehr. Auch hier frage ich mich besser nicht, warum dies der Zugbegleiterin meines ICs nicht von ihrem funkelnagelneuen Kommunikationswundermaschinchen mitgeteilt wurde. In diesem Fall hätte ich in Gesundbrunnen aussteigen und möglicherweise einen der allerletzten Züge noch erreichen können, die an diesem Tag überhaupt noch ab berlin fuhren. Nein, dem war nicht so, also stand ich im schönen HBF unserer schönen Hauptstadt und suchte jemanden, der mir eine Information geben konnte, ob, wie und wo es weitergeht. Leider war niemand dergleichen vorhanden. Am Reisezentrum stand eine 50 Meter lange Schlange, die am Servicepoint war noch länger. Also nochmal meine Freundin zwecks Bitte um Internetcheck angerufen – „Ja, da ist ein Zug der Verspätung hat, den solltest du nehmen können.“ Er war tatsächlich am Gleis angeschlagen. Ich hatte Hoffnung, doch noch irgendwann anzukommen bis mir ein Triebwagenfahrer im Vorbeifahren zurief: „Guck daß du nach Gesundbrunnen kommst, hier geht heut nix mehr!“

Um nicht irgendwelche Experimente zu wagen, die ich nachher bereuen würde, seufzte ich einmal kurz und stellte mich als gefühlte Nummer 261 am Reisezentrum an, um dort nach einer Stunde zu erfahren, daß ich zum Servicepoint gehen solle. Okay, diskutieren ist nicht angesagt, also ab zum Servicepoint. Hier war die Schlange noch länger und es passierte überhaupt nichts. Die drei Mitarbeiter waren hoffnungslos überfordert.

Gegen 22:30 Uhr kam endlich Bewegung auf. Einer der „drei Musketiere“ der Bahn verließ seinen Plat, stellte sich neben die Schlange und begann uns nach ungefährer Zielrichtung aufzuteilen. Um ca. 23:00 Uhr war ich dann an der Reihe und rechnete schon mit einem Hotelgutschein. Aber nein, die Bahn war bereit mir und einer weiteren Mitreisenden ein Taxi bis zum Zielort zu bestellen und dieses per Gutschein auch vorab zu bezahlen. Nur mal so nebenbei: Mein Zielort lag gute 300 km hinter Berlin. Aber das soll mir egal sein, ich würde noch ankommen.

Um 23:15 Uhr traf dann auch mein Taxi ein, gefahren von Adolph aus dem Kongo. Ein sehr freundlicher Mensch, der sich allerdings auf der Fahrt sehr oft von seinem Handy, seinem Navi oder jeglicher sonstigen Kleinigkeit ablenken ließ. Daher bin ich noch heute froh, mein Ziel überhaupt erreicht zu haben, aber tatsächlich war ich dann gegen 2:30 Uhr endlich am Ziel.

Ich dachte mir: „Hui, schlimmer kann es nicht kommen!“. Das stimmte auch soweit für die nächsten 2,5 Tage, die wirklich schön und erholsam waren. Aber dann kam die Rückreise …

[… weiter geht’s dann in Teil 2 …]

2 Kommentare

  • Jessica

    Du hättest ja auch gewusst, wo du hättest in Hamm ne Dusche gefunden 😉 Hoffe dir gehts gut und der Freundin auch, ist ja schon was her dein Eintrag. Liebe Grüße da lass!

  • Jan

    Ist komisch, ich fahre (auch beruflich) ja so oft durch Hamm mit dem Zug durch, da denke ich jedesmal an dich 🙂 Und nachher ruf ich dich mal an, schließlich hast du Geburtstag! Schonmal vorab: Happy Birthday!

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